Geschrieben von DJTMichel am 20.03.2012 um 08:35:
einen guten Schinken selber machen
Moin Anglrutenbauer,
ich lebe noch und als Beweis dafür gibt es heute diese Bastelanleitung:
Seit mehreren Jahren stelle ich rohen Wildschinken her. Anfangs noch im Naßpökelverfahren, der Einfachheit halber seit geraumer Zeit fast außschließlich per Trockenpökelung. Ziel ist ein schmackhafter, fester Schinken der nach entsprechender Reifezeit einiges an Masse (Wasser) verloren hat und lange haltbar ist.
Meine Vorgehensweise dabei ist recht simpel, jeder kann das und ich erläutere sie gern:
Zuerst erlegst Du ein älteres Stück Schalenwild Deiner Wahl mittels sauberen Treffer (oder kaufst ein entsprechendes Stück Fleisch beim Metzger oder in der Metro). Der Wasseranteil ist bei älteren Stücken geringer und das festere Fleisch läßt sich auf diese Weise hervorragend verwerten. Ich rate es an den Hinterläufen hängend aufzubrechen, die edelen Teile dürfen nicht verschmutzen. Nach wenigstens fünf Tagen
Fleischreifung zerlegst Du das Stück und gewinnst somit das Basismaterial für Deinen Schinken. Das trifft eher auf die Jäger zu, solltest Du ein gekauftes Stück Fleisch reifen lassen, achte unbedingt auf eine leichte Luftzirkulation und halte öfter mal die Nase dran, Temperatur < oder = 7°C. Ein normaler Kühlschrank bringt das nicht (hat keine Umluft). Den Knochen solltest Du auslösen, indem Du ihn mit einem flexibelen Messer jeweils von den Knochenenden vom Muskelgewebe trennst, ohne die Keule nach außen hin zu durchschneiden oder es gleich beim Kauf vom Metzger erledigen lassen. Vielleicht läßt Du Dir das mal von jemanden zeigen. Natürlich lassen sich auch die übrigen Teile (Filet braucht nur 1 - 2 Wochen gepökelt werden) in Schinken umwandeln.
Du nimmst je nach Geschmack ca. 30 - 40g Nitritpökel- (NPS) oder ganz normales Kochsalz pro Kilogramm Fleisch, eine in sehr kleine Würfel geschnittene Knoblauchzehe und einen halben Teelöffel Zucker. Miteinander vermengt, reibst Du damit die Keule von außen und innen (falls Du den Knochen ausgelöst hast, wozu ich Dir anfangs rate, ein. Das genügt im Grunde bereits. Als zusätzliche Verfeinerung kannst Du Deiner Würzmischung aber auch gern noch z.B. 3g gemahlenen schwarzen oder weißen Pfeffer, 0,5g Koriander, 0,5 g getrocknete Rosmarinnadeln und 1,5g Senfmehl beigeben. Hübsch macht sich auch ein frischer Rosmarienzweig in der Tüte. Ich bedanke mich bei Klaus für diesen Tip.
Gewürze werden bei mir immer frisch gemahlen
Damit reibst Du nun Dein Fleisch ordentlich und von jeder Seite ein
eine geräumige Schüssel ist hierbei hilfreich
und steckst es in eine lebensmittelechte Folietüte. Nachdem Du das restliche Salz + die Gewürze aus der Schüssel, in der Du kurz vorher das Fleisch gewälzt hast, in die Tüte geschüttet hast (alles haftet nämlich nie am zukünftigem Schinken), saugst Du mit dem Mund die Luft heraus und verschließt sie mit einem Knoten. Das schmeckt etwas salzig, aber funktioniert prima.
Tipp für Besitzer eines Vakuumiergerätes, die unbedingt schweißen wollen: Fleisch in seperate, dünne Tüte legen, diese zuknoten und alles in einen strukturierten Vakuumbeutel zum Verschweißen stecken. Starkes Vakuum ist nicht erwünscht, da dadurch die Pökellake nicht austreten kann
Alternativ kannst Du auch einfach einen Kabelbinder benutzen - egal, nur dicht sollte es werden.
Jetzt lagerst Du es vier bis sechs Wochen dunkel & kühl. Dabei wendest etwa jeden zweiten Tag Dein Schinkenpaket und darfst es dabei auch gern etwas durchkneten.
eine saubere Sache, die Finger berühren nicht das Fleisch
Diese Zeit mag einigen etwas lang erscheinen, da ich keine Eile habe und das Resultat immer äußerst schmackhaft war, behalte ich es so bei. Nach der Zeit spühlst Du die Gewürze nur mit klarem Wasser ab, aber
ohne ihn im herkömmlichen Sinn zu wässern.
Durch die exakt abgewogene Salzmenge kann er Dir nicht zu salzig werden! Nun steht es Dir frei, Deinen Selbstgemachten mit Wurstgarn zu wickeln oder in ein Schinkennetz zu zwängen - jedenfalls muß er vor dem Kalträuchern noch richtig von außen abtrocknen. Das erfolgt bestenfalls draußen hängend an einem schattigen Ort.
Ich schreibe das übrigens im Winter, nicht daß mich in einigen Monaten einer verklagt, weil ihm die Fleischmaden im Schinken sitzen... selberdenken macht schlau, in der wärmeren Jahreszeit sind entsprechende Vorkehrungen gegen Insekten zu treffen - interessiert jetzt aber nicht. Mittels einer derben Nadel ziehst Du nun ein Wurstgarn durch das Fleisch und zwar so, daß es nicht durch dessen Eigengewicht herausreißen kann und hängst ihn zum Trocknen und Durchbrennen, wie gerade beschrieben, auf. Beim Durchbrennen gleicht sich der Salzgehalt innerhalb des Schinkens aus - je größer das Stück, um so länger die dafür benötigte Zeit.
ggf. Insektenschutz beachten - z.B. lückenlos in Kopfkissenbezug aus Leinen einwickeln!
erst in den Rauch hängen, wenn sich der Schinken von außen trocken anfühlt
Nach zwei oder mehr Tagen, daß hängt natürlich vom Wetter ab, ist er bereit zum Kalträuchern.
optimal ist die komplette Nutzung des Raumes, mit ein wenig Planung kein Hexenwerk
Beim Kalträuchern verbrennen feine Holzspäne mehr oder weniger vollständig -
ohne offene Flamme.
Die Temperatur in der Räucherkammer darf 23°C keinesfalls übersteigen, je kälter umso besser! Der über viele Stunden langsam am Räuchergut vorbeiziehende
kalte Rauch verändert dieses positiv. Zum Einen hat er eine bakterienhemmende Wirkung, dadurch verlängert sich die Haltbarkeitsdauer des Räuchergutes ungemein, zum Anderen riecht und schmeckt ein kaltgeräucherter Schinken einfach lecker und schaut aufgrund seiner goldgelben Färbung appetitlich aus.
nach fünf Nächten im kalten Rauch:
Welche Späne man dazu verwendet, ist Geschmackssache. Viele bevorzugen Buchenspäne, die dem Schinken eine schöne Farbe verleihen. Ich habe auch schon Eiche, Esche, Birke und Ulme mit bestem Resultat verbrannt - eben alles
Natürliche, was ich so unter meiner Drechselbank auffege.
Eine ganz feine Sache ist solch ein Sparbrand:
von einem netten Mitforisti aus 1,5mm Edelstahllochblech für meinen Ofen (und die Ewigkeit) angefertigt
Wenn ich ihn nur von einer Seite anzünde, glimmt und qualmt der 24h

.
Die Räucherdauer hängt vom Räuchergut ab. Ein zartes Filet lasse ich nur eine Nacht im Rauch, eine Wildschweinkeule darf auch schon mal 10 oder mehr Nächte im Rauch verbringen. Nach einem Räuchergang muß das Räuchergut völlig erkalten. Ich realisiere das, in dem ich über Nacht räuchere und tagsüber die Ware ruhen lasse. Gerade derzeit macht die hohe Luftfeuchtigkeit die Umlagerung der Schinken tagsüber in einen trockenen, luftigen Raum erforderlich, damit sie optimal auf die kommende Nacht vorbereitet sind.
so langsam wird es gefährlich. Gut, daß kein Messer daneben liegt
So geht das nun abwechselnd, bis die Schinken fertig sind. Ich platziere mein Räuchergut jede Nacht anders im Ofen, um ein gleichmäßiges Räuchern sicherzustellen.
und so sehen beide Schinken fertig aus:
Nach dem Räuchern sollten größere Schinken vor dem Verzehr für mehrere Wochen an einem kühlen, luftigen und dunkelen Ort gelagert werden (reifen). Man kann sie auch in frischer Asche vergraben, dann aber bitte als erstes den Schinken in einen sauberen Leinensack stecken und verschließen. Liegt er in der Asche, kommen keine Krabbelviecher dran ;-).
Zusammenfassung:
wichtigste Zutaten pro kg Fleisch
30 - 40 g Nitritpökel- oder Kochsalz
1,5g Zucker
eine feingewürfelte Knoblauchzehe (wirkt antiseptisch)
älteres Stück, 4 Wochen Pökeldauer, nicht wässern, kalt Räuchern
Ich wünsche Dir gutes Gelingen und guten Appetit! Würde mich freuen, wenn Du es einfach mal mit einem Probestück (z.B. Schweinefilet) ausprobierst - es kann nichts schiefgehen

.
PS: Die Umrechnung auf Deine benötigte Salz- und Gewürzmenge ist einfach, dennoch erkläre ich das nicht ohne Grund an einem Beispiel:
Rehkeule:
2,2kg Fleisch = 2,2 * 35g NPS = 77g NPS
+ 2,2 * 1,5g Zucker = 3,3g Zucker
(bei der Dosierung der Knoblauchzehe bitte mit Augenmaß arbeiten :roll: )